Frühjahrsputz mal bitter

Der Frühjahrsputz ist keine Erfindung der modernen Hausfrau. Der Frührjahrsputz ist eine Naturerscheinung. Genau im März, dem alljährlichen Moment, in dem der Winter endgültig seine Kraft verliert und Licht, Leben und Bewegung unaufhaltbar hervordrängen, findet allüberall in der Natur die „große Bereinigung“ statt.
Wenn nach den ersten intensiven Sonnentagen der kühle Regen kommt, kannst Du zusehen, wie die Wiesen das verrottete Laub regelrecht einsaugen, wie die Bäume die letzten dürren Äste abwerfen, wie das gelbe Gras grün zu leuchten beginnt bevor im April dann das Frische, das Neue, das Schöne ausbricht und im Sturm die Welt einnimmt.
Mit Macht erfasst die Sonne die hintersten Winkel – in der Natur, im Haus und in den Wesen.
Jetzt ist die richtige Zeit, auch Seele und Körper von den Schlacken des Winters zu befreien und auch mich selbst auf Hochglanz für die Blüte zu bringen.
Bitter weckt die Lebensgeister
Klassisch sind einerseits Bitterstoffe, die wir besonders beim Wermut finden, und andererseits frische, wassertreibende Kräuter, wie wir sie bei den Vertreterinnen des Holzelements finden: die Minzen, der Ysop und – bedingt – auch die Melisse (für die zarter Besaiteten).
In einer Apothekenzeitung lese ich „Bitterstoffe – so machen sie schlank und gesund“. Und weiter: „Bitterstoffe lösen über einen Reflex im Magen und in der Galle die Produktion von Verdauungssäften an. In geringen Mengen wirken sie verdauungsfördernd und dämpfen gleichzeitig den Hunger. Das ist übrigens keine neue Entdeckung. Bereits Hippokrates, Paracelsus und Hildegard von Bingen wussten um die Heilwirkung von bitteren Kräutern und Lebensmitteln und setzten sie entsprechend bei ihren Patienten ein.“
Richtig: Hildegard von Bingen hatte eine besondere Rezeptur fürs Frühjahr, ein Trank aus in Wein und Honig eigelegtem Wermut. Für meinen Geschmack ein bisschen dolle – zumal alkoholisch – also doch lieber das pure Destillat schön sanft ins Wasser oder aus Frühstück gegeben…
Aber das Bittere war auch aus ihrer Sicht gesundheitsfördernd und reinigend.
Bitterstoffe spielen auch in der TCM eine herausragende Rolle für ausleitende, entgiftende und aktivierende Vorgänge. Obwohl der bittere Geschmack dem Feuerelement und somit dem Funktionskreis „Herz“ zugeordnet wird, erfasst die Wirkung des Bitteren alle Funktionskreise, insbesondere auch die von Leber und Galle (Holzelement). Aromatische Kräuter mit bitterem Geschmack (Rosmarin Kurkuma, Lorbeer, Thymian, allen voran jedoch der Wermut) haben zudem eine thermische Wirkung, die nach den Anschauungen der TCM pathogene Feuchtigkeit ausleitet – Schleime und Schlacken.
Insofern bietet sich der Wermut an, eine Frühjahrskur zu begleiten.
Hier sollten viele frische Gemüse und die ersten Wildkräuter, die wir auf den Wiesen finden, die Basis für eine kraftvolle, reinigende und aktivierende Ernährung sein.
Ich habe vor einiger Zeit schon „TCM-Boxen“ zusammengestellt: Kombinationen aus den Destillaten und Kräutern, die die Kräfte des jeweiligen Elements der Wandlungsphasen zusammenführen. Die TCM-Box für das Holzelement enthält das Destillat der Wasserminze, das Destillat der Pfefferminze und – auch für die Haut eine Wohltat – das Destillat der mentholfreien Krauseminze. Dazu gibt´s eine große Packung Wasserminze-Kraut – und der Frühling darf auch in meinem Körper losgehen. Gerade die Krauseminze auf der Haut gibt mir jetzt am Morgen einen herrlichen Frischekick, der zugleich sanft pflegt. Ich liebe es !
Bitterstoff-Rezeptoren in der Haut
Apropos Hautpflege: Forschern des Zentrums skinitial am Freiburger Universitätsklinikum haben Bitterstoff-Rezeptoren in der Haut gefunden. Sie haben nachgewiesen, dass Bitterstoffe die Bildung von speziellen Hauteiweißen und Lipiden fördern, die die Schutzschicht der Hautbarriere bilden. Die Hautbarriere schützt uns vor UV-Strahlung, Bakterien und dem Eindringen von Giften. Vor allem in älterer Haut ist die Dichte der Bitterstoff-Andockstellen besonders hoch. Das mache die Bitterstoffe, so die Wissenschaftler, zu einem interessanten neuen Wirkstoff für die Hautpflege.
Na denn.. das werde ich dann auch gleich einmal ausprobieren….
Natürlich ist für den höchstpersönlichen Frühjahrsputz auch Bewegung angesagt. Alles kommt jetzt in Bewegung: Die Erde, die Pflanzensäfte, die Wildtiere (die bald ihre Jungen zur Welt bringen), das Wetter – und natürlich auch unser Körper.
Wer einen Garten hat, wird ganz von selbst viel draußen sein und sich den ersten Muskelkater anlachen … alle anderen mögen hinaus in die Flur gehen und sich dort betätigen: Als ich noch in der Stadt wohnte, habe ich mehrere Kraftplätze in den Wiesen und Wäldern um Berlin gepflegt …
Wohlan: Heißen wir das Licht und das neue Leben willkommen, würzen wir unser täglich Brot mit etwas Bitter und lassen die Lebenssäfte fließen !