In Ruhe krank sein

Die Kunst des Teemachens

Nun hatte auch ich einen „positiven Test“ – und durchlebte meine ganz eigene Geschichte mit dem Virus. Wie jede „Krankheit“ ist auch diese Spezialkrankheit (…) bei jedem Menschen anders, für jeden Menschen eine Chance, durch die Natur gerade rücken zu lassen, was allzu lange in uns schwelte.

Genauso verstehe ich „Krankheit“. Und genauso habe ich sie auch dankbar durchlebt und meinem Körper, Geist und Seele geholfen, sich zu reinigen und neu zu formieren.

Unser Verständnis von Krankheit und Genesung hält uns dazu an, die Krankheit so schnell wie möglich wegzudrängen – oder gar nicht erst sich entfalten zu lassen. Ich halte das für keine gute Idee. Denn ich glaube nicht an Zufälle. Vielmehr glaube ich, daß alles, was uns „ereilt“, dazu angetan ist, uns in ein friedvolles und wohlgestimmtes Gleichgewicht mit dem Leben zu führen.

Und so will ich heute ein wenig beschreiben, wie ich persönlich mit Krankheit umgehe.

Die Welle ankommen lassen

Es war bereits Abend, ich hatte ein Onlineseminar gegeben und lud noch die Videos hoch. Da erfasste mich plötzlich ein so heftiger Schüttelfrost, daß ich meine Bewegungen nicht mehr koordinieren konnte. Mir blieb gar nichts anderes übrig, als mich ins Bett zu legen.
Dort verstärkte sich das Schütteln zu Krämpfen. Massive Kontraktionen im Sonnengeflecht, die über eine Stunde lang anhielten und alle Kraft, die in mir war, verbrauchten.

Das war schmerzhaft und befremdlich. Doch ich hatte keine Angst.
Ich fokussierte zwangsläufig auf mein Sonnengeflecht – dorthin, wo all die Kraft saß, die mich durch die letzten Jahre geführt hat. Dorthin, wo die vegetative Koordination meines Körpers unwillkürlich stattfindet. Genau dort schlug die Welle jetzt ein.
Ich musste an die gewaltige Transformationskraft des Wermuts denken – dieses mächtige Kraut in meinem Garten, dessen Macht in etwa der Welle entsprach, die mich gerade zerlegte. Ich verneigte mich vor dieser wohlvertrauten Deva, die alles Überkommene aufzuspüren vermag und es mit kompromissloser Klarheit herauslöst.
Und ich ließ die Welle ankommen.

Der Welle nachspüren

Diese über 1-stündige Welle massiver Vollkontraktionen in meiner Körpermitte zerschmetterte meine Halte- und Umsetzungskraft. Der mächtige Energievorrat, den ich in meinem Sonnengeflecht gesammelt und gehalten hatte, wurde an diesem Abend durchbrochen und aus meinem System herausgeschwemmt. Oder besser: Herausgewrungen.
Ich hätte diesen Vorgang wohl mit Hilfe des strukturbildenden und zentrierenden Salbei auffangen können. Sozusagen ein Stück weit rückgängig machen, was die Krankheit zerschmettert hatte.
Aber kann das denn sinnvoll sein ? Einen Vorgang aus dem Leben – auch wenn wir ihn als „Störung“ bewerten – rückgängig machen zu wollen ?

Als ich erschöpft dalag, für zwei Tage mich nicht aufrichten, nichts trinken und nichts essen konnte, spürte ich der Welle nach: Mein Sonnengeflecht, das mit dem Feuerelement, mit Handlungs- und Durchsetzungskraft assoziiert ist, fühlte sich weich und leer an.
Dort, wo bisher immer ein feuriger Kraftvorrat lag, war jetzt Leere, Undifferenziertheit und … Offenheit.

Ich spürte der Welle nach und vernahm, daß es eine neue, noch ungeformte Verbindung zwischen meiner unteren und meiner oberen Körperhälfte gab. Träume und innere Bilder nahmen mich ein, die mich durch bedeutungsvolle Erlebnisse auf meinem Weg noch einmal, noch einmal anders führten. Diese noch energiearme Bewegung in meinem System war neu. Loser in ihrer Art, wenig geformt, wenig gerichtet.

War das die Veränderung, die mir das Leben notwendiger Weise geschenkt hatte ?

Die Welle aufnehmen

Stunde um Stunde nahm ich diese neue Qualität tiefer auf und erlaubte ihr, sich weiter in meinem System auszudehnen. Sie eröffnete mir eine neue Art des Empfindens, eine Qualität, die es in meinem System so bisher nicht gegeben hatte.

Das Ungeformte, das Zerstreute, das sanft Pulsierende, Fließende… woher kannte ich diese Qualität ? Welches meiner Heilkräuter trägt diese Information ?

Ja, natürlich: Meine geliebte Schafgarbe verfeinert die Räume, löst Verfestigungen und Stauungen auf, bringt ins Fließen – wohlgemerkt ungerichtet und offen – sie repräsentiert, was diese Krankheit mich lehren soll.

Integrieren und genesen

So wählte ich sie als meine Begleiterin zurück in einen stabilen Zustand, in dem ich das, was die Krankheit mich lehrte, integrieren konnte.

Statt meine Aufmerksamkeit auf mein Sonnengeflecht zu lenken und auf die Wiedererlangung des gewohnten Kraftspeichers dort, folgte ich dem, was das Leben, dem, was die „Krankheit“ mir gezeigt hatte: Ich erlaubte meinem gesamten System – körperlich und geistig – die Unbestimmtheit und Zartheit, in die mich die Krankheit geführt hatte.

Ich folgte dem Vagen, Tastenden – ließ alle Struktur, allen Rhythmus – und lies mich durch die Tage treiben. Viele Tage. Viele Tage, in denen ich isoliert von anderen Menschen meiner „Quarantäne“ harren musste. Ohne Ablenkung, ohne Unterhaltung und Impulse meiner Lieben.

Bald schon begann ich zu schweben und zu fließen, verlor mich in den Farben und Düften des Herbstes, gab mich ausführlich der sinnlichen Erkundung bestimmter, neuer Empfindungen hin, bestaunte meinen Körper, der nicht mehr vor Kraft und Spannung strotzte, sondern vielmehr weich und unbeteiligt in die wohlige Oktoberatmosphäre schmolz.

Ab dem vierten Tag nach dem Schüttelfrost nahm ich das Schafgarbe Destillat ein und führte das Fläschchen bei mir. Dieses zauberhafte Pflanzenwesen zeigte mir, wie ich mich mit dem neu gewonnenen Raum zu bewegen hatte, versicherte mich in der Unsicherheit und Unbestimmtheit, mit der ich mich nun durch den Tag und durch die Nacht tastete. So vollzog ich – und vollzehe immer noch – eine tiefe und wohltuende Genesung. Keineswegs ist mein Bestreben, wieder so zu werden, wie ich vor der Krankheit war. Vielmehr half mir das Leben, eine überfällige Wandlung zu vollziehen, die mich noch ein bisschen vollständiger, noch ein bisschen verbundener, noch ein bisschen vielseitiger sein lässt.

Vielleicht magst Du nach dieser kurzen Schilderung meiner eigenen „Krankheits-Reise“ auch einmal ausprobieren wie es ist für Dich, eine „Störung“ nicht weg zu kompensieren, sondern stattdessen als Wegweiser zu nutzen zu den Baustellen in deinem System: Eine Störung, die Dich nervlich unruhig sein lässt oder deine Haut in Rötungen und Aufregungen stürzt – zeigt Dir zum Beispiel „Überschießendes Feuer“. Was bringt es mit sich, wenn ein Überschuss an Hitze und Bewegung zum Austreten gebracht wird ?

Unsere übliche Reaktion ist, kühlen und beruhigen zu wollen. Doch ist es das, was das Leben deinem System versucht zukommen zu lassen ? Könnte die eigentliche Korrektur, die da vorgenommen wird, nicht eher etwas damit zu tun haben, daß überflüssige Substanz „verbrannt“ wird ? Das der Raum frei gemacht wird, sauber geputzt, für etwas Neues ?  Und würdest Du unter diesem Blickwinkel auch zu einer Pflanze greifen, die kühlt und beruhigt – etwa zur Krauseminze oder zur Schafgarbe ? Oder doch eher etwas, das Dir hilft, die Bewegung des Feuers, das aus Dir herauszudrängen scheint, zu unterstützen und das, was es neu hervorbringt entstehen zu lassen ? Einen leeren, weiten Raum Stille. Empfangende Wahrnehmung… wie etwa der Ysop es zu vermitteln vermag ?

Ich lade Dich ein, zu Empfangen statt zu Reagieren. Hereinzulassen statt abzuwehren. Zu Lauschen und zu wachsen. Die Spirits begleiten Dich dabei.

8 thoughts on “In Ruhe krank sein”

  1. Danke, dass Sie diese Erfahrung mit uns teilen. Diese Sichtweise scheint mir so fremd und gleichzeitig spüre ich so sehr die Wahrheit darin. Ich bin tief berührt und beeindruckt von dieser Form der Hingabe ans Leben. Danke von Herzen!

  2. Vielen Dank für diese Zeilen.
    Voriges Jahr ungefähr um diese Zeit hat mich mein persönliches KRÖNCHEN wie ich es nannte besucht.
    Und ja, es ging tief und ich könnte jedes Wort von dir geschrieben auch so weiter geben.
    Und es verändert so manches im Leben.
    Noch heute bin ich dankbar für diese Erfahrung auch wen sie mühsam und fordernd für den Körper war.

    Vielen Dank nochmals und ich würde mich freuen den Newsletter zu bekommen.

    Alles Liebe
    Marion

  3. Der Beitrag stimmt mich sehr nachdenklich. Mein Leben besteht seit über einem Jahrzehnt aus Schicksalsschlägen und Widerständen und Krankheit. Bis jetzt habe ich beides versucht – dagegen anzukämpfen oder mitzugehen, mich hinzugeben. Beides war wohl nicht der richtige Weg für mich. Hin- und Hergeschleudert zu werden von den Stürmen oder fokussiert versucht Kurs zu halten. Trotz allem ist wohl so eine unbändige Lebenskraft und Zähigkeit in mir, die eine Zentrierung erfordert. Aufrecht und klar und biegsam zugleich.

    1. Liebe Eva, es ist schön und kraftvoll, wie Du Dich im letzten Satz selbst würdigst. Das ist der beste Proviant, wach zu lauschen, wie ich es mit meinem Beitrag nahelege. Weder kämpfen noch hongeben: Lauschen, Begreifen, die Bewegung dann mitvollziehen … Alles Gute !

  4. Liebe Evelin, schön dass es dir wieder gut geht, so wie du es beschreibst ging es dir gar nicht „schlecht“, dein tiefes Verständnis, kombiniert mit deiner Hingabe an den Prozess und das Wissen um die Kräfte der „Spirits“ macht es eher zu einer Initiation , einer Ermächtigung , wie es im Neu-Deutsch gerne genannt wird.
    A’hoo Tobias

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