Vom Teilen in der Natur

Teilen Wild Natural Spirit

Seltsamerweise assoziiert der moderne Mensch mit der wilden Natur zuerst das „Fressen und Gefressenwerden“.
Vielleicht ist es gar nicht so seltsam, denn der moderne Mensch lebt ja in einer Welt, in der es vor allem um Wettbewerb und Vorteil geht – ganz gleich, ob er oder sie angestellt, selbständig, verrentet, arbeitslos oder beamtet ist. In den Städten rasen unruhige Blicke nach vorne – und doch sehen sie nicht. Hastige Schritte hallen auf hartem Asphalt, die Luft ist voller Töne. Maschinentöne. Die Nächte sind hell von abertausend elektrischen Lampen, die Tage ein Kampf zwischen Kontrollen und Wollen, ein Schein-Kampf ums materielle Überleben. Fressen und Gefressenwerden – das ist bereits im großstädtischen Straßenverkehr erlebbar. Oder in der räumlichen Enge, in der zwangsläufig Interessen und Bedürfnisse der Einzelnen aufeinander prallen. Laut oder leise ? Tags oder nachts ? Schnell oder langsam ? Gepfelgt – aber von wem ? …. Ein ständiges Zerren an unterschiedlichen Bedürfnissen auf zu engem Raum.
In den Städten gibt es im Verhältnis zu anderen Wesen viel zu viele Menschen. Fast ist es so, als ob der extreme Überhang an Menschen einerseits das Individuelle, das Anderssein hervorpresst – und zugleich dem wirklichen Sein keinen Raum lässt.

So wenigstens erfahre ich es, wenn ich mal ein paar Tage nicht auf meinem grünen Berg sondern in einer großen Stadt verbringe. Plötzlich finde ich mich im „Fressen und Gefressenwerden“.
Aber eben nicht, weil ich in der wilden Natur bin und dort die „harten Naturgesetze“ gelten. Sondern weil Natur fehlt und alles voller „Mensch“ und „Willen“ ist.

In der Natur … da sind so viele andere Wesen. Erdenwesen, deren Eigenart das Hier und Jetzt ist. Bäume, Gräser, Steine, Eidechsen, Vögel, Wühlmäuse, Regenwürmer, Wildschweine, Pilze, Moose….
Sie sind alle da. Sie pulsieren alle. Das Besondere an einem gesunden Naturraum ist, dass spürbar und lebendig alles miteinander verwoben ist. Dass das Atmen des einen das Atmen des anderen bedingt – statt verdrängt.
Hier ist es nicht möglich, geradeaus den eigenen Willen durchzusetzen, Listen nach Funktionalität abzuarbeiten, Unterhaltung und Bestätigung herauszunehmen, ohne sie auch wieder hineinzugeben.

Ein gesunder Naturraum lässt diesen maschinengleichen Takt nicht zu. Er kann in seiner Stille und Präsenz so laut werden, dass die menschlichen Erwägungen und Ordnungen einfach von Leben übertönt werden. Wenn Du etwa an der blühenden Kamille vorbeigehst und der süße, eindringliche Duft in seinen Bann nimmt, die hell gelb leuchtenden Blütenboden alles überstrahlen und Insekten ihre Hochzeitstänze vollbringen. Dann MUSST Du innehalten. Dann kannst Du nicht anders, als diesen Klang des „Um-Dich-her“ zu vernehmen, der Dich ergreift, der deine Seele wach ruft und deinen getriebenen Geist stilllegt.
Und dann beginnen deine Augen zu sehen, was wirklich ist. Nicht das Kopfkino. Nicht die Reiz-Reaktionsflut des Fressens-und-Gefressennwerdens der Menschenwelt, sondern das Teilen und Blühen und Wachsen und Sterben und Geborenwerden des lebenden, irdischen Organismus.

Dieses Empfinden und Verwobensein möchte ich so gerne teilen.

Es ist auch dann da, wenn ich den ganzen Tag hart arbeite, draußen, in Wind und Wetter. Zum Beispiel, wenn ich stundenlang in der sengenden Sonne Heu reche – denn ich reche nur das Heu und bin dabei nirgendwo sonst als in der Sonne und beim Heu, bei der Erde und ihren Wesen.

Und natürlich bricht hier auf Aditi auch manchmal die menschliche Normenwelt ein – mit ihren Größen von Pflicht und Zwang und Regel und Fehlern und Verdienst und Strafe und einer logischen Steuerung. Das ist wie ein Fremdkörper, denn es ist so unverhältnismäßig eintönig im Vergleich zum Vielklang der lebendigen Natur. Doch hier auf Aditi ist es ein Mosaiksteinchen aus der Menschenwelt, das auf eine blühende Wiese atmender Organismen fällt, unter dem wetterwandelnden Himmel zwischen Sternennacht und Tagwerk.
Das fühlt sich einfach anders an, kann anders eingewoben werden, als wenn ich mich ständig in diesem Takt, in diesem ahrimanischen Rhythmus aufhalte.

Und seit ich meine Seelenmedizin selber anbaue – im Zusammenwirken mit all den Wesen, die meinen Garten bevölkern und den puren Elementarkräften, die das Leben immer wieder neu gebären – habe ich ein verändertes Gefühl für Qualität.
Es ist nicht mehr die (industrielle) Komplexität oder die wissenschaftliche Begründung oder die Mode ähnlich orientierter Menschen, die meine Aufmerksamkeit anzieht. Vielmehr ist es die klare Unterscheidung von Dingen, die Seele und Lebendigkeit enthalten. Deswegen gibt es hier keine großen Maschinen, keine Super-Saaten, keinen Dünger und keinen Pflanzenschutz – sondern nur liebende Hinwendung und Handarbeit. Das spiegelt sich in den Pflanzen, das spiegelt sich in allem, was ich hier für Wild Natural Spirit aus der Fülle der Natur produziere. Nicht nur mein Geist und meine Seele können das wahrnehmen – auch mein Körper kann es. Denn das Lebendige teilt seine Kraft. Es ist Resonanz, die frei fließen kann, die mich im Inneren wirklich erreicht und mich klingen lässt, so dass auch ich das Lebendige bin und teilen kann.

Ich bin so gut wie nie krank – und das, obwohl ich mit meinen Kräften allzuoft an die Grenzen gehe. Und das verdanke ich wohl meiner Präferenz für Lebendigkeit.

Ganz deutlich wird es dann bei den Nahrungsmitteln: Was für ein Unterschied an Lebensqualität, an Sinneskraft und Nahrhaftigkeit, drei süße Erdbeeren aus dem Garten zu genießen, umgeben von Vogelgesang und Sommerwind – statt eine große Portion fader Riesenfrüchte aus der ertragsorientierten, maschinengetriebenen Massenproduktion, appetitlich aufbereitet im Straßencafé zu konsumieren….
Wenn Du ganz da bist – bei den Erdbeeren, meine ich – dann erlebst Du diese Früchte als ein Geschenk. Als ein Teilen der Erdbeeren. Und ganz natürlich wirst Du etwas zurückgeben wollen. Das ist das Teilen. Und die Magie des Teilens lässt Dich Teil sein.

Ich wünsche mir so sehr, dass viele Menschen innehalten.
Dass viele Menschen sich auf die Wiese setzen statt ins Restaurant.
Weil dann auch sie beginnen, aus ganzer Seele zu klingen. Weil sie die Geschenke empfangen, die da in so großer Fülle sind – und in der Eile sonst übersehen oder gar totgetrampelt werden.

All die Angst, aus dem Raster zu fallen, all die Angst, in Zukunft zu kurz zu kommen, verschwindet in einem einzigen Atemzug der Stille, der Verbundenheit in einem lebendigen Naturraum.

Komm ein paar Tage nach Aditi.

Es wird kein „Urlaub“ sein und keine „Auszeit“. Im Gegenteil: Es wird lebendige Präsenz, Teilhabe und Intensität werden. Hier gibt es richtig intensive, körperliche Arbeit. Und im Resonanzfeld all des Lebendigen wird manches in Dir in Bewegung kommen – und anderes verblassen in seiner Bedeutungslosigkeit. Und am Abend ein Feuer unter Sternenhimmel.
Es wird keine Belehrung geben. Denn was ich vermitteln möchte, ist letztlich jenseits von Worten. Es ist Teilen – nicht Wissen.

Natürlich habe ich viele Erfahrungen gesammelt, von denen ich erzählen kann. Von Pflanzengemeinschaften und Bodengesundheit und Heilkräutern und ihrer Wirkung. Aber darauf kommt es auf Aditi gar nicht so sehr an. Vielmehr kommt es darauf an, dass Du den Unterschied zwischen „Ernte einholen“ und „ehrenhaftem Ernten“ erlebst. Dass Du „siehst“, ob der Salbei in diesem Jahr einfach nur blüht oder zu Tee wird. Dass Du den Fenchel beobachtest, der den Schnecken zum Opfer fällt und den richtigen Moment spürst, eine neue Saat zu legen. Dass Du akzeptierst, wenn die Fichten sterben und siehst, dass junge Eschen sich bereit gemacht haben, den Raum neu zu gestalten. Dass deine Pläne schon allein in Anbetracht des Wetters bestenfalls Ideen, Vorschläge sind … und der Tagesrhythmus sich aus dem Ganzen und nicht aus deinen Zielen bestimmt. Da: Ein Regenbogen !

Kannst Du es spüren ?